Le vent tourne
Bettina Oberli, Suisse, France, 2018o
Pauline, une jeune paysanne, élève ses bêtes dans le respect de la nature. L’arrivée de Samuel, venu installer une éolienne, va bouleverser son couple, ses valeurs.
Le scénario évite habilement les travers du pamphlet écologiste et livre un constat édifiant sur une situation agricole et humaine alarmante. La lumière est sublime, les cadres également... Et par-dessus tout, il y a Mélanie Thierry et Pierre Deladonchamps.
Christophe CarrièreLa réalisatrice réussit un drame sentimental souvent palpitant dans une nature belle et dangereuse, pleine de brouillard et dominée par un protagoniste insolite : cette éolienne, géant planté au milieu de nulle part, comme un moulin de Cervantès, à la fois symbole d’espoir et de discorde.
Guillemette OdicinoGalerie photoso
In «Le vent tourne» geht es um Windräder, Autonomie und eine Dreiecksgeschichte. Gestern feierte der neue Film von Bettina Oberli Premiere in Locarno.
Dem Kino fehle die Schönheit, sagte D.W. Griffith einmal, die Schönheit des Windes, der die Bäume bewegt. Davon versteht Bettina Oberli natürlich etwas, die Regisseurin von «Im Nordwind» und «Die Herbstzeitlosen». 2006 wurde ihre Komödie auf der Piazza Grande in Locarno jubelnd aufgenommen, gestern Abend kehrte Oberli mit «Le vent tourne» zurück.
Der Wind bläst in diesem Liebesdrama zunächst in die mächtige Windturbine, die Pauline (Mélanie Thierry) und Alex (Pierre Deladonchamps) auf der Wiese neben ihrem abgelegenen Hof im französischen Jura aufstellen lassen. Mit ein paar Kühen und Schweinen proben sie dort das autarke Leben fernab von WLAN und Tiermedizin; dank der Windenergie wollen sie sich ganz vom Stromnetz abnabeln. Der Ingenieur, der den Aufbau der Anlage überwacht, kommt allerdings so schnell angebraust, dass er als Erstes ein Ferkel anfährt. Auch auf der symbolischen Ebene erhebt sich also ein anderer Wind. Es ist die grosse Welt, die an der kleinen zerrt.
Bettina Oberli erzählt zum einen eine Dreiecksgeschichte zwischen Pauline, Alex und dem Ingenieur. Das Tempo ist flott, die Kamera mittendrin: Pauline ist fasziniert von diesem gut aussehenden Mann, der so ganz anders lebt.
Faszinierende Fragen
Doch mehr als ein Liebesfilm ist «Le vent tourne» eine Befragung, was Autonomie auf dem gefährdeten Planeten heissen soll: Verkapselt man sich in seinen Idealen, sei es in der Paarbeziehung oder im Umgang mit der Natur? Was muss man abtöten, um sich unabhängig zu machen? Alex hält umso energischer am Selbstversorgerleben fest, je stärker die Welt in seinen Alltag einbricht. Und Pauline fragt sich, inwiefern sie, um ihre Freiheit zu erlangen, einen Bruch machen muss mit dem, was für sie schon immer Befreiung war.
Dass diese Fragen alle auf einem Flecken Land verhandelt werden, ist das Faszinierende. Das Problematische ist, dass vieles auf diesem Hof nach Papier riecht: Die junge Galina, die zwecks Erholung zu Besuch kommt, ist eine gute Nebenfigur. Aber muss sie wirklich aus Tschernobyl stammen?
Mélanie Thierry spielt eine Bäuerin in Bettina Oberlis «Le vent tourne» – und ist viel die bessere Schauspielerin als Interviewpartnerin.
Plötzlich wird es laut im Interview. «Aber der Jura ist doch nicht flach», ruft Mélanie Thierry. Ich erwidere, der Film «Le vent tourne» spiele doch auf dem Plateau der Franches-Montagnes, und er habe mir auch landschaftlich gefallen, weil es dort diese Hochebene gebe, nur Tannen, Wiesen und den Horizont. Aber sie gibt sofort zurück: «Der Jura ist nicht flach, da sind tiefe Täler und Schluchten, Sie müssen es mir schon glauben, ich war dort.»
Selbstverständlich war sie dort. Mélanie Thierry, 37, spielt die Hauptrolle im neuen Film von Bettina Oberli. Sie verkörpert eine Bäuerin, die mit ihrem Mann (Pierre Deladonchamps) den Traum der Selbstversorgung lebt: Vieh, Gemüse, alles biologisch, und um noch mehr Unabhängigkeit zu erlangen, soll ein Windrad her, zur Stromproduktion. Damit tritt der weit gereiste Samuel (Nuno Lopes) ins Leben des Paares. Die Dynamik auf dem Hof verändert sich – daraus wird eine spannende Dreiecksgeschichte, die eben auch von der Landschaft lebt, in der sie spielt.
Angst vor Kühen – und vor Journalisten?
«Le vent tourne» ist der erste französischsprachige Film der «Herbstzeitlosen»-Regisseurin, eine Koproduktion mit Frankreich. Deshalb haben Grössen aus dem Nachbarland mitgewirkt. Mélanie Thierry kann man durchaus als französischen Star bezeichnen: Sie spielte die Titelrolle in «La princesse de Montpensier» von Bertrand Tavernier und war in der internationalen Produktion «A Perfect Day» an der Seite von Benicio del Toro und Tim Robbins zu sehen. Jetzt aber, beim Interview nach der Uraufführung des Oberli-Films in Locarno, gibt sie sich wortkarg. Mit «oui, oui» beantwortet sie Fragen, mit «non» oder auch einfach mit «je ne sais pas». Und betont auch äusserlich, dass sie nicht wirklich an einem Gespräch interessiert ist.
Gut, vielleicht hätte ich ihr nicht gleich zu Beginn des Interviews sagen sollen, dass ich ihr die Bäuerin im Film nicht sofort abgenommen habe: zu wenig Muskeln, zu wenig perfekte Handgriffe («ah oui?»). Aber eigentlich war das als Kompliment über Umwege gedacht, ich fügte sofort hinzu, dass ich es später total passend fand, weil sie eben nicht die typische Bäuerin verkörpere, sondern eine Frau, die hin und her gerissen ist. «Wenn Sie es sagen», erwidert sie. Und dann schweigen wir.
Vielleicht ist es mein Französisch? Vielleicht kann ich zu wenig nuancenreich erklären, was ich meine? Ich versuche es mit den Tieren, möglicherweise ist da mehr zu holen. Im Film ist sie nämlich ganz allein Geburtshelferin eines Kälbchens, zieht es an einem Seil auf die Welt. War das schwierig? «Nein, es ging fast von alleine.» Wieder Schweigen. Dann hat sie doch Erbarmen mit dem Journalisten und erzählt, dass sie bei der Vorbereitung Angst vor Kühen hatte, obwohl sie als Kind viel Zeit auf einem Bauernhof verbracht hatte. Aber die Geburt sei wirklich leicht zu drehen gewesen, weil die Kuh sie toleriert habe: «Sie hätte mich mit Fusstritten traktieren können. Aber sie hat es nicht getan.» Wissen Sie wieso? «Irgendwie habe ich ihr Vertrauen gefunden.»
Vertrauen in den Journalisten fasst sie dagegen nicht. Vielleicht ist sie auch einfach ehrlicher als viele ihre Kolleginnen. Die tun – gelernt ist gelernt – noch bei abgedroschenen Fragen manchmal so, als hörten sie diese zum ersten Mal. Mélanie Thierry dagegen macht dem Gegenüber nichts vor. Sie hat ihren Job beim Spielen erledigt, und dies exzellent. Vielleicht ist ihre Haltung im Interview einfach die Fortsetzung ihrer Kinorolle: No Bullshit, immer geradeaus. Das passt im Film wunderbar.
Am Ende sprechen wir noch einmal über die Landschaft. Diesmal über den Creux du Van im Neuenburger Jura, jenen imposanten Felsenkessel, bei dem eine Schlüsselstelle spielt. Diesmal sind wir uns einig: Flach ist es dort nicht.