Werk ohne Autor

Florian Henckel von Donnersmarck, Allemagne, 2018o

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German artist Kurt Barnert has escaped East Germany and now lives in West Germany, but is tormented by his childhood under the Nazis and the GDR regime.

Der Film hat seine gepflegten Qualitäten. Aber Folgendes will man ihm nicht verzeihen: Es sind parallel montiert die sichtbare Vergasung besagter Tante, der Tod ihrer zwei Brüder an der Ostfront, der Luftangriff auf Dresden 1945, die Einäscherung eines Kinds. Es ist herzenskalt gepützelte Theatralik und Kunsthandwerk der Melodramatik. Und sehr einseitiger Welttragödienkitsch. Siehe «Meine Wahl» Seite XX.

Christoph Schneider

Florian Henckel von Donnersmarck glaubt an die Macht der Kunst, über Systeme und Ideologien zu triumphieren - so religiös wie kein anderer deutscher Filmemacher. Zwölf Jahre nach "Das Leben der Anderen" führt er sein Thema fort. Diesmal ist es ein Maler (stark inspiriert von Gerhard Richter), der NS-Erbe, DDR und Düsseldorf überwinden muss, um seine Stimme zu finden. Ein Rätsel um Donnersmarck aber bleibt: Wie kann man derart leidenschaftlich vom Ringen um künstlerischem Ausdruck erzählen, ohne auch nur ansatzweise an den eigenen Mitteln (nämlich jenen des Hollywood-Überwältigungskinos) zu zweifeln?

Tobias Kniebe

Galerie photoso

The Guardian, 24/04/2009
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04/09/2018
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Tages-Anzeiger, 01/10/2018
Ein Konzert des Schreiens

Mehr als zehn Jahre nach «Das Leben der Anderen» erzählt Florian Henckel von Donnersmarck in «Werk ohne Autor» wieder von deutscher Geschichte. Aber musste er das auf diese Weise tun?

De Christoph Schneider 

Der Titel «Werk ohne Autor» ist ein bisschen erklärungsbedürftig, da das Werk ja einen Autor hat, soweit es den neuen Film von Florian Henckel von Donnersmarck betrifft. Beim Werk im Film aber, auf das das Drama zuläuft, handelt es sich um bildende Kunst, die sich aus einem angesammelten Vorrat von Fotografien bedient: Schnapp­schüssen der Realität, Fragmenten des posierenden Lebens. Also aus einem Reservoir von Gefundenem, das abgemalt und schlierig übermalt und in einen Unschärferaum der möglichen Assoziationen versetzt wird.

Sodass nicht eigentlich der abmalende und übermalende Künstler der Autor ist, sondern der mysteriös erkennende Zufall: weil die Fotografie angehaltene Wirklichkeit ist, wie es heisst, und das Wirkliche wahr, wie es heisst, und alles Wahre schön. Und wer da an den Künstler Gerhard Richter denkt, Professor und deutscher Malerfürst, dessen Werke heute kaum noch zu zahlen sind: Der hat recht.

Dies ist kein Film über Richter, sondern über einen wie ihn, Kurt Barnert (Tom Schilling), jedoch derart, dass die Verwechslung von Biografie und Fiktion dann doch verständlich und gewollt scheint. Als die künstlerische Freiheit im Wahren, wenn man es positiv sagt. Diesem Barnert nämlich – es ist anzunehmen, und jedenfalls käme es dramaturgisch hin: geboren 1932 wie Gerhard Richter auch – ist von Kindsbeinen an die Last der Tragödien und Schöpferkräfte der Kunst im 20. Jahrhundert aufgeladen. Und die Pflicht, nach der Weltformel der Wahrheit zu suchen, die das Genie scheint es in sich trägt.

Der Ernst der neoromantischen Genialität ist ihm ins Gesicht gegraben und seiner widerborstigen Schlaksigkeit eingeschrieben; über drei Stunden lang ist das zu beobachten. Zuerst auf Kurts Weg aus der Nazizeit hinaus in das dogmatische Kunstwesen der jungen DDR, in die Verbindlichkeit eines realsozialistischen Realismus. Und von da, weil der Widerwille rumort, in die Kunstfreiheit des Westens in den 60er-Jahren, wo dann aber zuerst die Verzweiflung überwunden werden muss, nicht zu wissen, wofür man frei sein will.

Warum so plakativ?

Das wär schon ein analytisch beobachtendes Kunstgeschichtsdrama wert, vielleicht sogar in dieser Länge. Und Florian Henckel von Donnersmarck muss man ja zugestehen: Es wühlt in ihm eine Sehnsucht, mit Kino die Welt besser zu machen. Aber so? In dieser plakativen, kunst- und stilwilligen Gepflegtheit? Mit so viel moralischem Zitat und modellhafter künstlerischer Qual? Gar mit einem intellektuell brabbligen Wiedergänger von Joseph Beuys, der mit Fett und Filz spielt (fast möchte man sagen: wie es sich legendenpflegerisch gehört)? Und da sind wir erst beim harmloseren ästhetischen Problem dieses Films.

Jedes genialitätssüchtige Ausstattungsdetail schreit da etwas von kathartischen Fähigkeiten. Von Reinigung durch Schauder und Schrecken. Und sie schreien sehr gekonnt, diese Details, es ist gewissermassen ein Konzert des Schreiens. Was einen zum zweiten Problem bringt: der irritierenden Erscheinungsweise eines deutschen Geschichtsbewusstseins. Denn natürlich verbindet sich in «Werk ohne Autor» deutsche Kunstgeschichte mit der Geschichte deutscher Schuld, das ist im gegebenen historischen Rahmen unvermeidlich.

In diesem Fall geschieht es durch das Drama jener jungen Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl), die Kurt Barnert in Zeiten der erzwungenen Artgerechtheit von Kunst auf die Schönheit des Unartigen aufmerksam machte. Sie aber wird als diagnostizierte Schizophrene der Euthanasie zugeführt vom SS-Arzt Professor Seeband (Sebastian Koch), dem späteren Schwiegervater des Barnert. Und in diesem Erzählungs- und Erinnerungsgeflecht kommt es nun filmisch zu folgender Widerlichkeit: Es sind parallel montiert die sichtbare Vergasung der Elisabeth, der Tod ihrer zwei Brüder an der zerbrechenden Ostfront, der Luftangriff auf Dresden im Februar 1945, die Einäscherung eines Kinds.

Welttragödienkitsch

Es ist eine recht einseitige Kompilation von deutschem Leid. Aber nicht das und dass man das sieht und so sieht, reizt hauptsächlich das Empfinden für erzählerische Reinheitsgebote. Sondern der Welttragödienkitsch. Die herzenskalt gepützelte Theatralik, mit der das Kunsthandwerk der Melodramatik ausgeübt wird. Hier ist der Punkt, wo die Lust auf Kunst aufhört und der gewiss etwas säuerliche Satz «So etwas tut man nicht» filmkritisches Argument wird, und hier stehe ich und kann nicht anders. Weil Künstler, die natürlich alles dürfen, einfach nicht alles dürfen wollen sollten.

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Interview mit Gerhard Richter
/ Louisiana Channel
de / 14/11/2016 / 9‘47‘‘

Lesung & Interview mit Florian Henckel von Donnersmarck
Verena Lueken / Deutsches Filmmuseum
de / 01/04/2015 / 116‘37‘‘

Données du filmo

Autres titres
Never Look Away FR
Never Look Away EN
Genre
Historique, Drame
Durée
188 Min.
Langue originale
Allemand
Ratings
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ØVotre évaluation7,7/10
IMDB:
7,7 (25141)
Cinefile-User:
< 10 votes
Critiques :
< 3 votes

Casting & Equipe techniqueo

Sebastian KochProf. Carl Seeband
Tom SchillingKurt Barnert
Lars EidingerAusstellungsführer
PLUS>

Bonuso

iVidéo
Interview mit Gerhard Richter
Louisiana Channel, de , 9‘47‘‘
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Lesung & Interview mit Florian Henckel von Donnersmarck
Deutsches Filmmuseum, de , 116‘37‘‘
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gPresse écrite
Essay: The painted illusions of Gerhard Richter
The Guardian / Moira Weigel
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Critique Frankfurter Allgemeine Zeitung
Dietmar Dath
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Critique Tages-Anzeiger
Christoph Schneider
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