Sorry We Missed You
Ken Loach, GB, 2019o
À Newcastle, Ricky et sa famille se battent contre la précarité depuis des années. Pourtant, ni Ricky ni son épouse Abby n’ont cessé de travailler. Alors qu’il est temporairement sans emploi, Ricky voit dans l’opportunité de devenir chauffeur- livreur à son compte avec son propre camion, une formidable occasion de s’en sortir. Abby, aide soignante à domicile, l’aide à réaliser son projet en vendant sa propre voiture. Mais Ricky doit rendre des comptes à la société de transport qui lui assigne ses courses et contrôle son travail, et finalement sa vie et celle des siens. Commence alors pour toute sa famille la spirale infernale des piège de l’uberisation.
Sur les ravages du néolibéralisme, que résume le visage défiguré de Ricky, le film est d’autant plus poignant que les acteurs, certains professionnels depuis peu, d’autres pas du tout, impressionnent par leur justesse.
Jacques MoriceLe vétéran britannique dénonce l’ubérisation galopante du travail. Et montre, même s’il ne sort d’une mécanique du malheur assez prévisible, qu’il sait toujours aussi bien scruter les dérèglements de la société.
Christophe CaronA 82 ans, Ken Loach réussit à parfaitement dessiner les évolutions libérales du marché du travail et leurs dérives aliénantes. Il en profite également pour dépeindre un portrait de ses contemporains avec la justesse dont il a le secret.
Julien DugoisRicky (Kris Hitchen) und Abbie (Debbie Honeywood) haben kleine Träume: Sie wollen ein kleines Haus für sich und ihre zwei Kinder, und sie sind bereit, sich dafür richtig anzustrengen. Abbie ist Altenpflegerin, und weil es in Newcastle wenig Jobs gibt, für die Ricky in Frage kommt, investiert er sein letztes Geld, in einen Lieferwagen, um Pakete für ein Logistikunternehmen auszufahren. Beide schuften bis spät in die Nacht, bis sie an ihre Grenzen stoßen - und immer noch keinen Ausweg finden. Ken Loach findet seit mehr als einem halben Jahrhundert die Themen, die eigentlich in aller Munde sein sollten, über die dann aber doch zu wenig geredet wird - hier erzählt er geradlinig, aber eindrucksvoll von der Schattenseite des Versandhandels.
Susan VahabzadehAuch mit 83 tut Ken Loach zuverlässig das, was er am besten kann: uns Anteil nehmen lassen an den prekären Lebensbedingungen anderer. Mithilfe seines langjährigen Drehbuchautors Paul Laverty und dank exzellenter Schauspielerführung gelingen ihm liebevoll gezeichnete, lebensechte Figuren. Humor hat da Platz, Sentimentalität nie.
Julia MarxGalerie photoso
Wegen einer Augenkrankheit wollte der Regisseur Ken Loach längst aufhören. Aber die Realität kommt stets dazwischen.
Auf einem Auge ist er ganz blind. Beim anderen lässt die Sehkraft stetig nach. «Das ist mein letzter grosser Kinofilm», betonte der britische Regisseur Ken Loach deshalb, als er 2014 sein Irland-Drama «Jimmy’s Hall» vorstellte. Zwei Jahre später drehte er «I, Daniel Blake», mit dem er die Goldene Palme von Cannes gewann. Und jetzt läuft «Sorry We Missed You» in den Schweizer Kinos. «Diese Geschichte musste einfach noch erzählt werden. Es ging nicht anders», sagt er dazu. Es klingt schon fast wie eine Entschuldigung.
Gut, die Kritiker von Ken Loach würden sagen, er betrachte die Welt seit dem Beginn seiner Karriere nur mit einem Auge. Seit 50 Jahren dreht der inzwischen 83-jährige Regisseur sozialkritische Geschichten aus der Perspektive der Minderprivilegierten. Aber er tut dies mit Gespür und beissendem Humor, weshalb Filme wie «Kes» und «Riff-Raff» um die Welt gingen (und im letzteren Fall auch einem Zürcher Kino den Namen gaben). Die Entwicklung seiner Karriere beschrieb der überzeugte Sozialist einmal so: «Wir dachten nach 1968, wir kreierten eine bessere, freiere Welt … und dann kam Margaret Thatcher. Die meisten meiner Themen sind immer noch Geschenke ihrer Regierung.»
Genauer Blick für Details
Diese Fixierung wäre längst langweilig geworden, würde Loach die Geschichten nicht der Zeit anpassen. Sein Drehbuchautor Paul Laverty hört sich lange bei den Betroffenen um, bevor er etwas zu Papier bringt.
Im neuen Film geht es um die Fahrer, die für Firmen wie Amazon die Pakete ausliefern. Sie sind dabei ihre eigenen Unternehmer, was vielleicht gut tönt, aber drastische Folgen hat: Sie müssen den Transportwagen selber stellen, Ferien- oder Krankengeld gibt es keines, der Zeitplan ist absurd, zum Pinkeln bleibt zum Beispiel kaum Zeit, weshalb die Fahrer stets eine Plastikflasche mitführen. Um eine gute Tour zu bekommen, müssten sie zwei Stunden vor Arbeitsbeginn vor dem Verteilzentrum anstehen, natürlich unbezahlt. Und wenn mal niemand zu Hause ist, gibt es diesen Zettel an die Tür, der dem Film den Titel gab: «Sorry We Missed You».
Der Regisseur erzählt dies mit genauem Blick für Details. Im Zentrum steht eine Familie, die Frau arbeitet bis spät als Betreuerin bei Betagten. Aber am Ende des Tages bleibt, trotz all dem Krampf, kaum genug Geld fürs Überleben. Der Film ist mit Laien besetzt, Hauptdarsteller Kris Hitchen zum Beispiel arbeitete nach einer abgebrochenen Schauspielerkarriere als Handwerker, bevor er wiederentdeckt wurde.
«Mal sehen», ob ein weiterer Film folgt
Die zunehmende Erblindung des Regisseurs sei bei den Dreharbeiten sehr wohl ein Thema gewesen, erzählt Hitchen. Manchmal, wenn er unsicher gewesen sei, habe er sich überlegt, welches das blinde Auge des Regisseurs sei, und dabei gehofft, dass er nicht auffliege mit seinem Dilettantismus, wenn er auf der dunklen Seite stehe. «Genützt hat es aber nichts», sagt er, «Ken merkt alles.»
«Sorry We Missed You» ist zum besten Film des Regisseurs seit Jahren geworden. Wird er also, trotz seiner Krankheit, weitermachen? «Ich denke nicht», sagt Ken Loach. Um dann in seiner typischen Art zu ergänzen: «Mal sehen.»