Architektur des Glücks
Anton von Bredow, Michele Cirigliano, Suisse, Allemagne, 2023o
Campione, in der italienischen Enklave am Lago di Lugano: Über hundert Jahre lang hat die Gemeinde enormen Reichtum aus dem örtlichen Spielcasino gezogen. Gleichzeitig entstand eine soziale und ökonomische Abhängigkeit vom Glücksspielgeschäft. Nach dem plötzlichen Konkurs des Casinos stürzt das Dorf in eine existenzielle Krise. Hat das monumentale Gebäude von Mario Botta eine Zukunft?
Der architektonische Fehlgriff, von den Einheimischen gemeinhin «il mostro» genannt, ist nicht zu übersehen. Sein Schöpfer Mario Botta schämt sich mittlerweile so dafür, dass er sich – auch in diesem Dokumentarfilm – nicht mehr dazu äussern will, und auch der Film selbst nähert sich dem «Casinò di Campione» in konzentrischen Kreisen: Das Ungeheuer, von dem praktisch die gesamte italienische Enklave am Luganersee abhängt, ist erst nach gut zwanzig Minuten zum ersten Mal zu sehen, dann allerdings in seiner ganzen Imposanz. Ein Drohnenflug öffnet langsam das Bild. Die Regisseure Michele Cirigliano und Anton von Bredow interessieren sich jedoch vor allem für die Einwohner des Dorfs: Für Hoffnungen in einer hoffnungslosen Situation, die durch den von Filz, Grössenwahn und politischer Sorglosigkeit verursachten Bankrott des Kasinos 2018 herbeigeführt wurde. Die Wiedereröffnung auf Sparflamme – nur ein Bruchteil des Gebäudes ist mit stark reduzierter Belegschaft seit 2022 wieder in Betrieb – hat daran wenig gändert. Ästhetisch austarierte Bilder von zugewachsenen Tennisplätzen, geschlossenen Kindergärten oder eines lahmgelegten Rolls-Royce in einer Tiefgarage wechseln sich ab mit denen eines Einwohners, der den Ort auf eigene Kosten und in Begleitung einer Ziege mit Blumen bepflanzt, oder eines Amateurtenors, der spontan sein Können zum Besten gibt. Schöne Momente in einem kleinen, aber schmucken und stimmungsvollen Dokumentarfilm.
Till BrockmannGalerie photoso
