Life of Pi
Ang Lee, USA, Taïwan, GB, 2012o
Après une enfance passée à Pondichéry en Inde, Pi Patel, 17 ans, embarque avec sa famille pour le Canada où l’attend une nouvelle vie. Mais son destin est bouleversé par le naufrage spectaculaire du cargo en pleine mer. Il se retrouve seul survivant à bord d'un canot de sauvetage. Seul, ou presque... Richard Parker, splendide et féroce tigre du Bengale est aussi du voyage. L’instinct de survie des deux naufragés leur fera vivre une odyssée hors du commun au cours de laquelle Pi devra développer son ingéniosité et faire preuve d’un courage insoupçonné pour survivre à cette aventure incroyable. (TMDB)
Ang Lee («Brokeback Mountain») hat aus dem märchenhaften Bestseller von Yann Martel bezauberndes, buntes Überwältigungskino gemacht. Wie das Buch beschwört auch der Film die Kraft des Glaubens, nimmt aber gleichzeitig die Atheisten mit ins Boot. Die 120 Millionen Dollar teure Wasserschlacht hat Lee den Oscar für die beste Regie eingebracht.
Andreas ScheinerEin indischer Zoodirektor wandert nach politischen Unruhen per Schiff mit seiner Familie und einigen Tieren Richtung Kanada aus, doch unterwegs sinkt das Schiff. Nur der 17-jährige Sohn überlebt und findet sich in einem Rettungsboot mit einem Tiger wieder: eine nervenzerrende Schicksalsgemeinschaft, die eine lange Irrfahrt auf dem Meer vor sich hat. Als erzählerisch wie visuell beeindruckendes Kinoerlebnis verbindet der Film die fulminante Abenteuergeschichte mit der Frage nach der Existenz Gottes. Ein in atemberaubenden Bildern verdichtetes, mitreißendes Drama, in dem die Stereoskopie mitunter in optisches Zierwerk ausartet, überwiegend aber doch bemerkenswert klug genutzt wird.
N.N.Galerie photoso
Aufregend wie ein Besuch in der Sonntagsschule: Ang Lee hat den Bestseller «Schiffbruch mit Tiger» verfilmt.
Im Kino gewesen. Gott gesehen. Und geweint vor Glück.
So ähnlich klingt das jetzt bei den meisten Kritikern, wenn sie über «Life of Pi» berichten, den neuen Film von Ang Lee. Da gingen abgebrühte Berufszuschauer ins Kino, und heraus kamen Erleuchtete. Aber haben die wirklich eine religiöse Erweckung erlebt da drin? Oder fanden sie doch nur (was für Filmkritiker womöglich kein Unterschied ist) den ersehnten Beweis dafür, dass das Kino, nachdem es ja fast schon routinemässig totgesagt wird, noch längst nicht am Ende seiner Möglichkeiten ist?
Beginnen wir also mit einem Bekenntnis: Hier schreibt einer, bei dem «Life of Pi» bestenfalls ungläubiges Staunen auslöste. Aber auch manchen Gähner, was ja irgendwie vom Gegenteil einer Erweckung zeugt. Jedenfalls: Wenn dieser Film die Zukunft des Kinos sein soll, dann erwartet uns eine Zukunft, die, nebst allem digitalen Zauber in 3-D, über weite Strecken so aufregend und steril bleibt wie ein Besuch in der Sonntagsschule.
Die Arche im Sturm
Der Prediger hier ist Pi Patel, der indische Held und Auswanderer aus Yann Martells Weltbestseller «Schiffbruch mit Tiger». In der Verfilmung von Ang Lee wird er gespielt vom Bollywood-Star Irrfan Khan («Slumdog Millionaire»), und da treffen wir ihn in seiner Wohnküche im kanadischen Montreal. In seiner grenzenlosen Sanftmut bekocht und beplaudert er einen jungen Schriftsteller (Rafe Spall), der unter Schreibstau leidet. Pi soll ihn aus seiner Not erlösen, indem er ihm die Geschichte seines Lebens schenkt. Oder das, was er als solche ausgibt.
Es ist die Geschichte eines indischen Jungen, der als Sohn des Zoodirektors von Pondicherry aufwächst, bis die Familie samt den Tieren nach Kanada übersiedeln will. Auf hoher See passiert dann, was der deutsche Buchtitel verrät: Der Frachter erleidet Schiffbruch, der junge Pi (Suraj Sharma) landet allein auf einem Rettungsboot, nur in Begleitung eines bengalischen Tigers und drei weiterer mehr oder weniger wilder Tiere. Es ist gnadenloser Darwinismus als Kammerspiel unter freiem Himmel: Der Kampf ums nackte Überleben fordert bald seine ersten Opfer an Bord, dann sind nur noch Pi und der Tiger übrig auf dem Boot. Es kommt zum Machtspiel mit dem Raubtier, der sich manchmal überlisten, nie aber wirklich bändigen lässt.
Es klingt paradox, aber erst hier, wo der Film eigentlich zum Stillstand kommt, findet er endlich seinen Rhythmus. Bis dahin muss man einen furchtbar betulichen ersten Akt über sich ergehen lassen, der in seiner Geschwätzigkeit auch völlig unfilmisch bleibt. Da lauscht der Schriftsteller andächtig seinem Gastgeber, in Szenen, die so flach ausgeleuchtet sind wie in der nächstbesten TV-Soap. Mag sein, dass das Drehbuch in diesem Küchengeplauder den munter-pedantischen Ton des Romans anklingen lässt, aber das reicht nicht als Entschuldigung für einen Auftakt, in dem jedes Bild zugeplappert wird. Was sich da als ausschweifende Fabulierlust aufdrängen will, wirkt nur: umständlich. Der Schiffbruch im Orkan kommt da fast schon als Erlösung.
Schönreden kann man sich diese dröge Rahmenhandlung eigentlich nur so: dass Ang Lee auf diese Weise halt die maximale Kontrastwirkung zu den fantastischen Abenteuern sucht, die sein Held auf See erlebt hat. Und dort, auf engstem Raum in der unendlichen Weite des Ozeans, erträumt er sich nun Bilder von so schwerelosem Zauber, wie man das seit «Crouching Tiger, Hidden Dragon» (2000) nicht mehr gesehen hat von ihm. Bloss: Wo Lee damals die poetische Eleganz der Kampfkunst feierte, scheint er sich hier am bunt schillernden Klimbim des Cirque du Soleil orientiert zu haben.
Schlichte Instantphilosophie
Erst ist es nur die Morgenröte, die auf dem spiegelglatten Pazifik glänzt, wie hingemalt von einem digitalen Kitschpinsler. Später leuchtet im Mondlicht ein ganzes Heer fluoreszierender Quallen, als wären sie aus James Camerons «Avatar» entflohen. Und schliesslich entführt uns Ang Lee auf einen Tauchgang, den er zum psychedelischen Unterwasserballett ausschmückt. Auch wenn das aussieht, als habe man den Lichtertrip aus Kubricks «Space Odyssey» neu aufbereitet für eine Aquashow in Las Vegas: Wenn die Bilder bei Ang Lee ins reine Ornament entgleiten und in ihrer abstrakten Pracht die Grenze zum Experimentalfilm touchieren, dann ist «Life of Pi» zwar immer noch Kitsch. Aber durchaus berückend.
Das alles könnte man sogar bewundern als ozeanisches Zauberspiel in 3-D, orchestriert nach allen Regeln digitaler Filmkunst. Aber was ein spiritueller Trip sein will, wird dabei gnadenlos vereindeutigt zu einer Botschaft wie aus einem ökumenischen Gottesdienst. Die Farben rufen: Transzendenz! Aber die religiöse Parabel, die uns dieser Film permanent eintrichtern will, schmeckt nach denkbar schlichter Instantphilosophie: Der Gottsucher Pi erfährt in seiner Überlebensübung, dass die Welt, trotz aller Not und Grausamkeit, ein magischer Ort ist. Wer für diese Botschaft ins Kino gehen will, kann sie auch in «Beasts of the Southern Wild» hören (TA vom Mittwoch). Sie bleibt dort mehr in der Schwebe und klingt auch weniger ärgerlich nach Kalenderspruch, weil sie aus dem Mund eines Kindes kommt. Und die Bilder sind zwar billiger, aber auf ihre Art genauso überwältigend.
Wenn aber die Geschichte vom Tiger nur eine Schutzfantasie ist, wie der erwachsene Pi am Ende andeutet? Wenn die Tiere bloss fabelhafte Stellvertreter sind für das darwinistische Grauen, das sich in Wahrheit auf dem Rettungsboot abgespielt hat, unter Menschen? Dann ist das nicht wirklich ein doppelter Boden für die fantastische Geschichte, die wir gesehen haben. Sondern der Moment, in dem die Parabel, von der wir längst begriffen haben, dass sie eine sein will, sich auch noch als solche deklariert. «Simulierten Tiefgang» nannte das der Schriftsteller Ilja Trojanow in einer Besprechung des Romans. Die Simulation von Tiefe: So gesehen war 3-D im Kino selten so stimmig wie hier.