Loveless
Andrej Zvyagintsev, Russie, France, 2017o
Un couple est en train de divorcer. Ils se disputent sans cesse et enchaînent les visites de leur appartement en vue de le vendre. Ils préparent déjà leur avenir respectif : lui est en couple avec une jeune femme enceinte et elle fréquente un homme aisé qui semble prêt à l’épouser. Aucun des deux ne semble avoir d'intérêt pour Aliocha, leur fils de 12 ans. Jusqu'à ce qu'il disparaisse.
Man kann im Leben viel falsch machen, Vieles davon lässt sich wiedergutmachen, Manches nie, allem voran die gänzliche Lieblosigkeit im Umgang mit einem Kind. So etwa lässt sich der jüngste Streich im Werk der viellleicht markantesten russischen Gegenwartsregisseurs, Andrej Zvyagintsev, auf den Punkt bringen. Nach einem epischen Thriller des gesellschaftlichen Niedergangs, Leviathan, legt Zvyagintsev hier ein Kammerspiel des familiären Niedergangs in Russland vor, ein herzzerreissende Klagelied auf den Verlust zwischenmenschlicher Wärme: Ein Paar im Scheidungskrieg sieht seinen zwölfjährigen Sohn nur als lästige Langzeitfolge der erkalteten Beziehung an und streitet vor dessen Ohren darüber, wer sich um den Jungen kümmert. Bis dieser verschwindet und Spezialisten die Suche aufnehmen. Man ahnt ständig Schlimmes in diesem Film, doch es kommt schlimmer: Zvyagintsev klagt nicht, sondern klagt an. Und sein Urteil, lebenslänglich, fällt dramaturgisch so subtil aus, dass man erst im Nachhinein merkt, wie schlagend es ist.
Andreas FurlerTout au long du film parviennent les échos d’une actualité pleine de violences et d’effrois de fin du monde. Mais au fond le vrai suspense reste cette généalogie vertigineuse de l’innocence bafouée, de l’amour éternellement trahi. Zviaguintsev le met en scène avec une lucidité et une opacité vertigineuses, une froideur brûlante, une puissance bouleversante.
Marie-Noëlle TranchantC’est évidemment Ingmar Bergman qu’évoque Faute d’amour. La même férocité. Le même constat devant la disparition de toute transcendance chez l’homme : les êtres qu’il observe semblent tous avoir perdu leur âme, sans laquelle ils errent, en rage, à jamais solitaires, comme des ombres affolées.
Pierre MuratHier sind alle ohne Liebe. Die Männer lieben ihre Frauen nicht, die Frauen nicht ihre Männer. Und Eltern sind ohne Liebe für ihre Kinder. Das Ehepaar Zhenya und Boris ist sich nur in einer Sache einig: dass sich nach der Scheidung keiner der beiden um Sohn Aljoscha kümmern will. Während Mama und Papa seine Abschiebung ins Internat besprechen, entdeckt die Kamera den Jungen hinter der Tür: Sein Gesicht ist verzerrt vor Schmerz. Andrej Zvyagintsev entwirft in seinem vielfach preisgekrönten Film ein zutiefst düsteres Bild Russlands - als gespaltenes, mitleidloses Land, das seine Zukunft verspielt.
Martina KnobenGalerie photoso
Ein Kind zwischen Eltern, die sich hassen: Im fürchterlich guten Film «Loveless» von Andrei Swjaginzew herrscht Gefühlskälte.
Ringsum ist diese Starre und Kälte und ist gebrochenes, geborstenes Holz überall und blauweisser Frost über Bäumen und Teich. Man neigt gleich dazu, es metaphorisch zu nehmen. Aus einer ästhetischen Ahnung heraus. Begann nicht auch Andrei Swjaginzews Film «Leviathan» (2014) mit quasi versteinerten Bildern von Verrostung und Verwesung? «Mineralische Schönheit» nannte es jemand. Und das führte in ein Drama von der elenden Hässlichkeit aller menschlichen Verhältnisse. In «Loveless» jetzt führt man uns aus der Anfangsstimmung eines gefrorenen Verrottens in eine Gegenwart der vereisten Gefühle, in die Welt eines lang schon ineinander verhassten Ehepaars. Dort wird zwischen einem Mann und einer Frau ein Kind zerrieben.
Der Ort ist Moskau; man kann das für bedeutsam halten in einer Zeit der libertären Unfreundlichkeit, muss aber nicht. Denn die dramatische Handlung ist so individuell wie universell: Sie beschreibt die grosse, gewiss nicht nur russische Katastrophe der Empathiearmut. Wir erleben: die Spätphase des Trennungskriegs von Zhenya (Marjana Spiwak) und Boris (Alexei Rosin). Unglück ist bei ihnen in kühlen Hass übergegangen, Hass in die seelische Eiszeit, beide sind bereits in anderen Beziehungen und probieren neue Erwärmungsmöglichkeiten aus. Derweil weint Aljoscha, der zwölfjährige Sohn (Matwei Nowikow; wo finden Regisseure eigentlich diese hochbegabten Kinder?), vor sich hin, still, ungetröstet, unbeachtet. Eines Morgens ist er dann verschwunden. Und da stehen sie nun, diese Eltern, die einander immer an die Gurgel gehen, und sind gezwungen, zusammen einen Buben zu suchen, den sie gar nie miteinander haben wollten. Und bei der Inszenierung dieser Suche – mithilfe einer seltsamen Privatorganisation, die ein widerwilliges Verantwortungsgefühl logistisch strukturiert – hat Andrei Swjaginzew einer Realität wirklich die letzte Sentimentalität ausgetrieben.
Es ist ein fürchterlich guter Film. Da bleibt nicht einmal die Hoffnung auf Hoffnung. Nur Konsequenz ohne Lösungen. Man möchte in einer Zeit der menschlichen Abgebrühtheit ja nicht mehr grad von einer Läuterung durch Schauder und Schrecken reden. Aber die Kraft, zu erschüttern und zu bedrücken, die hat «Loveless».