L'amica geniale
Saverio Costanzo, Daniele Luchetti , Italie, USA, 2018-2023, 3 Saisonso
Lorsque sa meilleure amie Lila Cerullo disparaît sans laisser de traces, l'écrivaine Elena Greco commence à écrire l'histoire de leur amitié, qui a commencé dans le Naples du début de l'après-guerre et s'est étendue sur plus de soixante ans. En plus d'une étude profonde et touchante de cette relation à travers toutes les phases de la vie, il en résulte le portrait plein de vie d'un quartier ouvrier napolitain et de ses habitantes, ainsi qu'une histoire sociale de l'Italie de 1950 à nos jours. – Malheureusement, disponible qu'avec des sous-titres en allemand.
Der von 2011 bis 2014 erschienene Roman-Vierteiler Meine geniale Freundin (L’amica geniale) gehört zu den grossen literarischen Würfen der 2010er Jahre. Hautnah an den Figuren, bildstark und zugleich messerscharf analytisch zeichnet die unter Pseudonym schreibende Autorin Elena Ferrante darin eine lebenslange Frauenfreundschaft mit all ihrer Innigkeit, ihren leisen Entfremdungen, lauten Zerwürfnissen und vorsichtigen Wiederannäherungen nach. Zugleich schafft sie das lebenspralle Porträt eines neapolitanischen Arbeiterquartiers und eine Sozialgeschichte Italiens von 1950 bis in die Gegenwart. Die Kritiken überschlugen sich, das Buch ging um die Welt. Als sich die gestandenen Regisseure Saverio Costanzo und Daniele Luchetti in Zusammenarbeit mit Ferrante an die Verfilmung des Stoffs machten, fragte man sich natürlich, ob eine Serie der Fülle und Tiefe der vier Bücher gerecht werden könnte. Doch die von 2018 bis 2022 lancierten ersten drei Staffeln (die vierte steht noch aus) nahmen selbst die grössten SkeptikerInnen im Sturm und bringen es im Publikumsrating der International Movie Database derzeit auf die rare Note 8.6. Mehr als begreiflich: Die durch alle Lebensphasen fantastisch besetzen und geführten Figuren kommen einem noch näher als im Buch, die anfänglich theatralischen, dann immer realistischer werdenden Dekors und die zahllosen Inszenierungseinfälle sind ein Genuss für sich, die grossen Themen werden genauso plastisch herausgeschält: Was ist Freundschaft, wie driften Menschen auseinander, was bringt sie wieder zusammen? Zudem: Was haben die Frauen der neuerdings gern gescholtenen Babyboomer-Generation seit 1950 alles erduldet und erreicht, und wie haben die Allianz von Postfaschisten, Mafia und Kapital auf der rechten Seite und die Radikalisierung der Arbeiterschaft und der Intellektuellen auf der linken die individuellen Lebensläufe geprägt? Kurz: Auch in der Filmversion ein grosser Wurf.
Andreas Furler(Article published on the occasion of the third season:)
My Brilliant Friend (L'amica geniale) is the most beautiful drama on television, and, considering how consistently excellent it has been, it remains sorely underrated. It effortlessly balances impossible questions about love, family, shame and duty, and it does so with impeccable style. The third season is set in the early 70s and it really is a good-looking drama, cinematic in its ambitions, again taking its visual cues from a particular period of film history (this season’s director, Daniele Luchetti, has said he was inspired by John Cassavetes and 70s US cinema). This is television at its best and it weaves a spell unlike anything I have seen in a very long time. It demands concentration but rewards it generously. For those who have yet to experience the pleasure of My Brilliant Friend, I would suggest not jumping in here, as both personal and political histories weigh heavily on the characters and their relationships. Go back to the beginning, and take it all in.
Rebecca NicholsonKann eine historisch versierte, literarisch anspruchsvolle Vorlage überhaupt übersetzt werden ins Serielle? Und können die beiden Hauptfiguren Lila und Lenù im TV auch nur ansatzweise so tiefgründig und dicht gelingen, wie es Ferrante über vier Bücher schafft? Um es vorwegzunehmen: Ja, die Serie kann mithalten! Im Gegensatz zum Roman sprechen alle Figuren dickstes Neapolitanisch. Das tut der Serie gut, macht sie rotziger, macht sie historisch korrekt. Am besten aber tun der Serie ihre beiden jungen Hauptdarstellerinnen, Elisa del Genio als Lenù und Ludovica Nasti als Lila, zwei Augenweiden, zwei Glücksgriffe, beide gecastet aus 9000 Kindern. Vor allem die sagenhafte Nasti hat dieses Trotzige, Unbezähmbare einer sehr jungen Sophia Loren. Wenn sie etwa von einem Mord an Don Achille erzählt, mit funkelnden Augen und Reibeisenstimme, "und - zack - rammt ihm einer ein Messer in den Hals", dann hängt nicht nur Lenù an ihren Lippen, dann ist das grosses Kino und lässt viel verstehen von Brutalität, Gewalt und Machismo im armen Süden der Fünfzigerjahre. Lenù und Lila sind die Heldinnen dieser emanzipatorischen Heldenreise, keine Opfer, und so ist es nur folgerichtig, dass sich die Kamera in langen Fahrten an ihre Händchen haltenden Körper heftet, in langsamen Einstellungen an ihren Gesichtern klebt. Aber keine Bange, man kann sich nicht sattsehen an ihnen.
Fiona EhlersÜber allem liegt eine Schwere, die die Bücher nur andeuten, wie sie dem Nachkriegsalltag aber wohl nahe kommt. Alle fluchen, alle schlagen, es mangelt an Zuneigung, an Geld sowieso. Wer blutet, hat selbst Schuld. Weil sie nicht gehorcht, wirft Lilas Vater sie aus dem Fenster und ruft ihr hinterher: "Du bist immer noch nicht tot." Jungs galt es, zum Arbeiten, Mädchen zum Schweigen zu bringen. Oder zum Heiraten. Lange muss Elena betteln, um auf die Mittelschule gehen zu dürfen. Einen Beruf zu haben ist für Mädchen nicht vorgesehen. Welch unglaubliche Anstrengung es Frauen gekostet hat, sich aus den Zwängen jener Viertel zu befreien, ja überhaupt auf die Idee zu kommen, das zu können, fängt die Serie glaubhaft ein. Elena und Lila konkurrieren um die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben und müssen ihre Kräfte doch bündeln, um das zu erreichen. Ihnen dabei zuzuschauen ist genauso spannend wie darüber zu lesen.
Christiane Lutz