Strähl
Manuel Flurin Hendry, Suisse, 2004o
Strähl, policier zurichois antidrogue, lui-même accro aux médicaments, rêve du gros coup de filet mais doit se contenter de se chamailler avec les petits dealers et toxicos de la Langstrasse. Un jour, son tempérament cholérique lui joue un tour fatal : lors d’une perquisition, un drogué est défenestré et Strähl est suspendu de ses fonctions. Ses vrais problèmes commencent maintenant.
Ein Stromstoss ging durch das Deutschschweizer Spiefilmschaffen, als der "Jungfilmer" Manuel Flurin Hendry 2004 diesen Langstrassenkrimi vorlegte. Authentischer Züri-Slang, eine agile Kamera, heftige Gitarrenriffs, schnelle Schnitte und eine fabelhafte Besetzung sorgten für eine Authentizität der Milieuschilderung, die den Hang vieler jüngerer Schweizer Filme zur romantisierenden Unterschichtszeichnung pulverisierte. Der Energie dieses Films konnte man sich nicht entziehen. "Strähl" markierte den Durchbruch einer Regiegeneration, für die der urschweizerische Widerspruch zwischen Pop- und Hochkultur kein Thema mehr war. Die sozialkritischen Krimis, die in grossen Filmnationen wie Frankreich, England und den USA schon eine lange Tradition hatten, hatten endlich ein Schweizer Gegenstück.
Andreas FurlerVoir Strähl est une expérience de cinéma vivifiante qui brise les stéréotypes pour nous plonger dans un bain de réalité complexe. Afin d’amortir le choc, le brillant scénariste Michael Sauter instille une bonne massive d’humour noir dans sa fiction parfaitement réalisée par Manuel Flurin Hendry. Strähl constitue une déflagration pour le cinéma suisse qu’il bouscule et engage dans une nouvelle voie au début des années 2000. En deux mots : un classique incontournable. (Extrait)
Anaïs EmeryGalerie photoso
So grossstädtisch wie in «Strähl» war Schweizer Kino noch nie. Und lange nicht mehr so elektrisierend.
Die grossen Fische fressen die kleinen, ausser man ist ein Piranha. Das ist eine der Lektionen des toughen Drogenfahnders Strähl (Roeland Wiesnekker), aber der schwimmt selber schon bald nicht mehr so flott obenauf im Erstling des Zürchers Manuel Flurin Hendry. Genauso wie die Junkies braucht auch Strähl seinen Stoff, nur dass er sich seine Medikamente beim Hausarzt holt statt auf der Langstrasse. Junkie ist also ein sehr relativer Begriff in «Strähl», und auch Gesetz und Verbrechen sind hier aufs Innigste verflochten. Als Strähl vom Dienst suspendiert wird, verstrickt er sich nur noch mehr in ein fatales Dreieck mit einer Drogenabhängigen (Johanna Bantzer) und deren Freund (Manuel Loewensberg). Und zuletzt triumphiert zwar das Gesetz, doch Strähl erweist sich dabei auch als Zürcher Urenkel der korrupten Cops aus dem amerikanischen Film noir.
Kein Zweifel, die Autoren von «Strähl» kennen das amerikanische Genre-Kino in- und auswendig. Das Drehbuch zu diesem ersten Schweizer Cop-Thriller stammt von David Keller und Michael Sauter, die als Urheber von «Achtung, Fertig, Charlie!» auf sich aufmerksam gemacht haben. «Strähl» haben sie noch vor ihrer phänomenal erfolgreichen Armeekomödie geschrieben, und auch wenn das überhaupt nicht nur locker und lässig ist, wie dieser Drogenfahnder zusehends selber zum desorientierten Junkie wird, so ist «Strähl» dennoch der um Längen lustigere Film als «Achtung, Fertig, Charlie!». Die Dialoge sind träf, dabei nicht zu geschliffen, und bis ins dramaturgische Schlingern hinein ist das ein richtig guter Genre-Film über einen Cop, der sich in den Grenzregionen zwischen Gesetz und Verbrechen abhanden kommt.
Vor allem aber ist «Strähl» elektrisierend grossstädtisches Kino, wie es das hier zu Lande noch nie gegeben hat. Zwar wurden in den letzten Jahren durchaus Versuche unternommen, knalliges Kino vor urbaner Zürcher Kulisse zu machen. «Exklusiv» war so ein Film, doch der krankte daran, dass er Hollywood an die Limmat tragen wollte. «Strähl» macht diesen Fehler nicht. Hendrys Erstling ist viel zu sehr auch ein Heimatfilm über das Langstrasse-Quartier, als dass man ihm sein Liebäugeln mit dem US-Genre-Kino vorwerfen könnte.
Ein Heimatfilm? Aus dem Drogenmilieu? Aber sicher. Seit den Filmen von Kurt Früh hat es hier nichts mehr gegeben, was so unverkrampft und so leidenschaftlich zürcherisch daherkommt wie «Strähl». Damit schafft dieser Krimi, was schon längst fällig gewesen wäre: Er datiert das urbane Kino eines Kurt Früh für die Gegenwart auf.
Der Zürcher Schauspieler Roeland Wiesnekker spielt im Langstrassen-Krimi «Strähl» einen überforderten Drogenfahnder.
Er kann einem wirklich Leid tun, dieser Herbert Strähl: Tagaus, tagein seckelt der Drogenfahnder an der Langstrasse irgendwelchen Junkies und Kleindealern nach, und tagaus, tagein wird er verseckelt, nicht nur von seinen Kunden, sondern auch von seinen Kameraden. Auf den Beinen hält sich Strähl nur dank Aufputschmitteln.
Roeland (sprich: Ruhland) Wiesnekker spielt diesen Strähl, und zwar so, dass man vergisst, dass da einer spielt. Immer tiefer graben sich die Augenringe ins Gesicht unter dem blond gefärbten Haar, richtig fertig sieht er aus. Wie das blühende Leben wirkt dagegen der Roeland Wiesnekker, der im Bistro des RiffRaff sitzt. Dabei hatte der 36-Jährige erst vor drei Tagen eine Theaterpremiere, und schliesslich ist er in «Lüthy und Blanc» auch noch regelmässig als Steve zu sehen. Waren die Strähl-Augenringe eine besonders gute Leistung der Maskenbildnerabteilung? Wiesnekker muss lachen: «Nein, dazu hätte das Geld nicht gereicht. Wir haben diesen Film ohne Make-up gedreht. Vielleicht war ich da wirklich so fertig.» So weit wie Dustin Hoffman und andere «method actors» ging Wiesnekker allerdings nicht. Er, der sich seine Texte am liebsten in einer vollen Beiz einprägt, dachte: «Wenn morgen dieser Dreh ist, ist es nicht schlecht, wenn ich heute ein halbes Stündchen später ins Bett komme.» Genau so haben wir uns das Schauspielerleben immer vorgestellt.
Schauspieler wollte Wiesnekker, der seinem holländischen Namen zum Trotz in Zürich geboren ist, immer schon werden. «Aber ich hab mich nicht getraut», sagt er. «Ich dachte: "Das können nur solche, die das können. So machte ich eine Anlehre als Koch, doch das war mir dann zu hierarchisch. Nach einer Schnupperlehre im Spital, die mir auch nicht gefiel, dachte ich: "Ich probiers mal , und das hat dann relativ früh geklappt.»
In der Tat: Von 1986 bis 1990 war Wiesnekker an der Schauspielakademie Zürich, 1990 kam er ans Schauspielhaus Bochum und wurde prompt «Deutscher Nachwuchsschauspieler des Jahres». Auch beim Casting für «Strähl» hatte er Glück: Er war zufällig in der Gessnerallee, wo ein noch nicht verfilmtes Drehbuch mit verteilten Rollen gelesen werden sollte. «Plötzlich waren da Leute wie die Produzenten Samir und Susann Rüdlinger und der Regisseur Manuel Flurin Hendry. Ich dachte: "Scheisse, das ist ja ein Vorsprechen. Ich war, weil ich nicht vorbereitet war, sauer und nervös.»
Geballte Intensität
Und das passte vorzüglich zur Rolle von Strähl, der immer kurz vor dem Explodieren ist. Ein echter Drogenfahnder wäre bereit gewesen, zur Vorbereitung mit Wiesnekker zu reden, wurde dann aber von Vorgesetzten zurückgepfiffen. Also las Wiesnekker einfach immer wieder das Drehbuch, versuchte sich in die Figur hineinzuwühlen - «inemüle», sagt er dazu - , überlegte, in welcher Szene er welche Facette der Figur zeigen wolle, und stellte einen Satz auch mal um, damit er ihm «i d Schnurre passt», was bei einem Mundartfilm das A und O sei.
Auch wenn die anderen Darsteller ebenfalls überzeugen: Mit seiner geballten Intensität trägt Wiesnekker den Film. Und schon wird mit ihm geworben wie weiland mit Sean Connery für Bond-Filme: «Roeland Wiesnekker ist Strähl.» Macht ihm das keine Angst? «Ein bisschen erschrocken bin ich schon, als ich das sah. Aber ich kann zu dem stehen, was ich da gemacht habe. Und schliesslich mache ich auch noch ganz viel anderes.» Im August tanzt er - in einer Produktion von Salome Schneebeli. Und solange Aki Kaurismäki, die Coen Brothers oder Jim Jarmusch, mit denen er gern mal arbeiten würde, ihn noch nicht aus Zürich wegholen, sucht er hier erst mal eine neue Wohnung.