Chris the Swiss
Anja Kofmel, Suisse, 2018o
Anja Kofmel admirait déjà son cousin Chris lorsqu'elle était petite fille. Sa mort mystérieuse au milieu des guerres yougoslaves en 1992 l'occupe toujours en tant que femme adulte et cinéaste, car au moment de sa mort, le jeune journaliste suisse portait l'uniforme d'un groupe de mercenaires internationaux. Anja raconte l'histoire de Chris. Elle combine les moyens de la recherche documentaire classique avec des scènes animées pour les moments sur lesquels elle ne peut pas avoir de certitude.
L'incertitude à la fin de ce film demande un certain temps d'adaptation, mais c'est précisément cette incertitude qui le rend si fort : pour une fois, la certitude réconfortante que nous ne connaissons que trop bien dans le cinéma et que nous affectionnons ne se matérialise pas, parce que les films ordonnent un méli-mélo de valeurs et qu'à la fin nous pensons savoir un instant quel sens donner notre vie. Ici, les recherches d'Anja Kofmel sur son cousin disparu pendant la guerre de Yougoslavie ont atteint leurs limites et ne permettent pas de prouver de façon concluante si cette idole de jeunesse est devenue un meurtrier pendant la guerre ou a été victime de son idéalisme ou même de sa naïveté. Mais comment elle le fait : la nostalgie rencontre des chiffres et des faits troublants, le chagrin et l'horreur s'entremêlent, et là où la recherche documentaire s'empile parce qu'on ne peut que spéculer sur ce qui s'est passé, le film d'animation fait tourner le fil de l'histoire. Audacieux et formellement logique.
Andreas FurlerReporter, aventurier, voire agent secret, personnage équivoque engagé dans une milice internationale pro-croate d’extrême droite, ou bien héros de l’info infiltré ? Qui était vraiment Chris ? De troubles vérités se révèlent, qu’Anja Kofmel ose frotter à son deuil et à son imaginaire, comblant les vides et déployant ses émotions grâce à de splendides cauchemars animés en noir et blanc.
Cécile MuryEin Film voller Trauer und Zuneigung. Aber das hartnäckige Wissenwollen musste die Möglichkeit aushalten, dass der Ermordete vielleicht auch ein Mörder gewesen ist. Und so wurde es ein präziser, kunstvoller Nachruf, in dem über einen Toten nicht nur Gutes gesagt werden konnte.
Christoph SchneiderGalerie photoso
Anfang des Jahres 1992 starb der Schweizer Journalist Christian Würtenberg auf einem kroatischen Acker. Der Film Chris the Swiss spürt seinem Leben und Sterben nach.
Als eine Art Märchen begann es, lange schon bevor es zu diesem Film wurde, der nach den Wahrheiten eines Lebens und eines Sterbens fragt: zum Film Chris the Swiss von Anja Kofmel. Es ist ein Werk der Trauer und des hartnäckigen Wissenwollens, ein Film wie eine grosse Kriegs- und Todessuchtmetapher. Und ausserdem ein Nachruf, in dem über einen Toten nicht nur Gutes gesagt werden konnte.
Das Märchen war einmal wahr, und als die Wahrheit sich änderte, wurde es doch noch eine Zeit lang der Wirklichkeit abgerungen. Denn es war einmal das Mädchen Anja, zehn Jahre alt, und es war sein Cousin Christian, der Chrigi, siebzehn Jahre älter. Immer umgab ihn der Geruch seiner lässig gerauchten Zigaretten und so etwas wie: Duft von Abenteuer. Das Mädchen bewunderte den Cousin, und die kindliche Bewunderung begleitete ihn auch, als er dann wirklich in ein Abenteuer zog, 1991, als freischaffender Reporter in den Krieg im zerbrechenden Jugoslawien.
Am Krieg kann man sterben
Das Ziel war Zagreb, die unter Serbenfeuer liegende Hauptstadt Kroatiens. Der nationalistische Hass hatte seine entzivilisierende Wirkung längst entfaltet; und auch Christian, den sie dort Chris the Swiss nannten, hat sich dieser Wirkung nicht entziehen können, womöglich wollte er es auch gar nicht. Sein sehr ambivalenter Charakter scheint ohnehin geschwankt zu haben zwischen einem waffennärrischen Soldatentum und einem professionellen journalistischen Ehrgeiz.
Schon einmal, mit siebzehn, war er in Namibia einer Ausbildungseinheit der südwestafrikanischen Territorialkräfte beigetreten: Man darf da – weiss Gott! – von einer jugendlichen Verhaltensauffälligkeit reden.
Aber diese Geschichte aus Widersprüchen mag eine Zehnjährige noch nicht berührt haben. An jenem Tag im Januar 1992, als die Nachricht von Christians Tod die Familie erreichte, hat sie vielleicht nur verstanden, dass Krieg etwas ist, woran man sterben kann – und sie wob auch das in ihr Märchen. Aus dem Cousin wurde ein Held und aus Kroatien ein Heldenland und Märchenland, und so wurden kindliche Albträume gezähmt.
Die zeichnerisch animierte Erinnerung an das Märchen, das sich Anja Kofmel seinerzeit selbst erzählte, ist im Film nun vermischt mit gleicherweise animierten, aus Chris’ Notizbüchern destillierten Fakten und aus begründeten Spekulationen. Realbilder kommen dazu: Ausschnitte von Interviews mit der Mutter, dem Bruder, dem Vater; zudem mit Reporterkollegen, die damals ebenso blutjung waren wie Chris und auch durch Blut gingen; mit Söldnern, ehemaligen und noch aktiven, an denen der Jugoslawienkrieg und all ihre anderen Kriege kleben wie Dreck.
Verblichenes, mühsam gesammeltes Archivmaterial aus den Neunzigerjahren macht historische Atmosphäre geisterhaft lebendig. Und Anja Kofmel kann jetzt ein Lied singen von der Mühsal der Recherche nach den analog aufgezeichneten Resten dieser Zeit. Kurzum, das alles nun ist Chris the Swiss: feine, sehr kunstvolle Sinnbilder vom Tändeln mit gefrässigen Todesschatten.
Mit Blut an den Händen?
Es ist die Geschichte einer «Entheldung». Die kurze Geschichte eines Landes, das nie ganz eins war. Die Geschichte eines jungen Mannes, der Schaden nahm an diesem Land, das nicht seins war, und in einem Krieg, in den er nicht gehörte, als er vom Journalismus, wer weiss, warum, in eine militante Parteilichkeit glitt und Teil eines antiserbischen Söldnertrupps wurde. Man bekam dort, liest man, ein paar Tage Urlaub für zwei abgeschnittene serbische Ohren.
Ein Film aus Fragen und über allem die eine: Hatte auch Christian Würtenberg, Chris, Chrigi Blut an den Händen? Sie könne nicht sicher sein, dass er keines dran hatte, sagt Anja Kofmel im Gespräch, und es klingt nach einem schmerzhaften «Vielleicht». Es heisse, er habe ein Buch veröffentlichen wollen, müsse also das Gefühl von Realitätsnähe gehabt haben.
«Und wenn es so war, dann hätte er doch aktiv mitmachen müssen.» Will sagen: als Täter, nicht nur als Beobachter. Denn die Frage sei doch: «Wie lange kann man sich entziehen, wenn man Teil einer Organisation ist, die systematisch massakriert?»
Schockierend tot
Christian Würtenberg starb am 7. Januar 1992 auf einem ostslawonischen Acker. Seine Leiche wurde nach Basel überführt. Die Obduktion ergab, dass er stranguliert und zuvor gefoltert worden war: Man muss annehmen, von den «eigenen» Leuten um den psychisch schwer kriegsversehrten Söldnerführer Eduardo Rózsa-Flores (ihn erschoss man 2009 in Bolivien). Chris’ Bruder machte ein paar Fotos in der Gerichtsmedizin, der Tote sieht darauf schockierend tot aus. Anja Kofmel hat sich diese Bilder nicht erspart. Und uns auch nicht. Das war nichts als konsequent in seiner Trostlosigkeit. Es gehört zur meisterhaft disziplinierten Düsternis eines neugierigen, empathischen, nie weichlichen und nie besserwisserischen Films.